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Bremerhaven: Mit Martha Hüner durch das Deutsche Auswandererhaus

Wenn ich heute meine Koffer packe und aufbreche zu einem kürzeren oder längeren Trip, freue ich mich meist schon Wochen vorher. Doch wie muss es wohl sein, wenn man zu einer Reise mit einem völlig unbekannten und fremden Ziel – und vor allem ohne Rückfahrtsticket – aufbricht?  Ein wirklich spannendes Museum liegt im Norden Deutschlands in den Hafenwelten von Bremerhaven: das Deutsche Auswandererhaus. Ich habe es kürzlich anlässlich einer Tagung der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ) besucht. Anhand verschiedener Biografien konnte ich die oft beschwerliche Auswanderung  hautnah miterleben – sehr eindrucksvoll.

Eine Reise ins Ungewisse

Anfang der 1920er Jahre macht sich die 17jährige Martha Hüner aus Bremerhaven auf eine solche Reise ins Ungewisse. Sie will eigentlich nicht aus Norddeutschland weg, aber es bleibt ihr kein anderer Ausweg. Als eins von fünf Kindern ist sie arm und die Tanten, die schon nach Amerika ausgewandert sind, erzählen von Wohlstand und besten Löhnen in dem Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“. Eine Tante kommt für Marthas Schiffsreise auf und schon heißt es Abschied nehmen… Zum Abschied gibt ihr der Vater ein Erbstück der Familie mit, eine Pferdebürste. Die Hausangestellte hütet sie wie einen wertvollen Schatz. Anhand einer I-Card und verschiedenen Medienstationen erlebe ich in den nächsten eineinhalb Stunden ihre persönliche Auswanderungsgeschichte mit. Erfahre viel über Hoffnungen, Sorgen und Ängste – und wie Martha in den Staaten ein neues Leben aufbaut. Das geht wirklich unter die Haut …

Über sieben Millionen Familien wandern aus

Am 30. November 1923 bricht Martha auf. Mit dem Schnelldampfer „Lahn“ von Bremerhaven ins ferne New York, eine achttägige anstrengende Schiffsreise. Mitte des 19. Jahrhunderts kann die Überfahrt sogar noch bis zu 15 Wochen dauern. Über 7,2 Millionen deutsche und osteuropäische Familien verlassen über den deutschen Seehafen ihre Heimat. In den 1930er Jahren sind es vor allem Juden, Intellektuelle und Künstler aus Deutschland, die vor den Nazis fliehen und als Emigranten überleben müssen.

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Enge Kojen, Krankheiten an Bord

Eingepfercht in enge Kojen meist mit einer großen Familie reisen die Auswanderer noch im 19. Jahrhundert nach Übersee. Krankheiten verbreiten sich in der Enge rasend schnell, auch die mangelnde Hygiene oder verdorbene Lebensmittel machen die Menschen oft krank an Bord der Dampfer. Gottseidank verbessern sich die Zustände während der Jahrzehnte und die Menschen – auch die der dritten Klasse – können etwas bequemer in das Land ihrer Träume reisen. Szenen in den Schlafkojen verdeutlichen im Museum die Zustände an Bord der Schiffe eindrücklich, doch schaut und hört selbst rein:

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Die Insel der Tränen

Die größte Einwanderungsstation der USA war Ellis Island – auch die „Insel der Tränen“ genannt. Zwischen 1892 und 1954 werden hier vor den Toren New Yorks an die 12 Millionen Einwanderer durchgeschleust. Die dritte Klasse muss nach der Ankunft meist noch Stunden im „Registry Room“ warten, um sich dann einer medizinischen Untersuchung unterziehen zu lassen. Wer zu krank ist, darf nicht einreisen. Martha Hüner kann übrigens einreisen. Sie lernt den deutschstämmigen Bäcker Willy Seegers kennen und verliebt sich in ihn. Im Jahre 1932 heiraten sie und eröffnen eine Bäckerei in New Jersey. Dort fegt sie die Krümmel von der Ladentheke – mit der besagten Pferdebürste ihres Vaters. Doch nach dem Tod ihres Mannes in den 1980ern kehrt sie in ihre geliebte Heimat Bremerhaven zurück und stirbt schließlich mit 81 Jahren im Kreise ihrer vier Geschwister.

Deutschland als Einwanderungsland

Im neuen Ausstellungsbereich (seit dem Sommer zugängig) lernt ihr Deutschland als Einwanderungsland aus vielen Blickwinkeln kennen: Wie haben sich Eingewanderte hierzulande ihr Leben aufgebaut? Wie hat die Gesellschaft das Zusammenleben gestaltet? Vier große Konflikte zeigen historische Kernfragen seit dem Jahre 1949. Auch sehr spannend!

Vorfahren suchen

Und nicht vergessen: Falls ihr auf der Suche nach ausgewanderten Vorfahren seid, im Auswandererhaus könnt ihr in zwei internationalen Datenbanken recherchieren – in den Bremer Passagierlisten und in Ancestry.

Ein Tipp zum Übernachten

Direkt neben dem Auswandererhaus liegt das vom bekannten Architekten Andreas Heller geplante Designhotel The Liberty. Namensgeber ist die Freiheitsstatue in Big Apple. In allen modern ausgestatteten Zimmern erzählen großformatige Fotos etc. Geschichten von Sehnsucht, Fernweh und legendären Riesendampfern. Von vielen Zimmern und natürlich von der New York-Bar im fünften Stock habt ihr einen tollen Blick auf den Yachthafen von Bremerhaven mit seinen historischen Seglern und Dampfern und raus auf die Außenweser und über die Nordsee. Auch das Essen im Raphael-Hotel ist übrigens lecker! Im Mulberry Street-Restaurant (mit Küchenchef Phillip Probst) könnt ihr euch verwöhnen lassen – und danach ab ins Miami-Spa mit zwei Saunen. Viel Spaß in Bremerhaven!

Wenn ihr noch mehr Geschichten rund um den Norden Deutschlands bei uns lesen wollt, schaut gerne rein: hier zum Beispiel eine Juist-Story oder unsere 11 Tipps für verzauberte Orte im Norden.

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