Ausflug, nah dran
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Neu entdeckt: Das Knüllgebirge

Ein Naturpark mit gerade erst eröffneten Wanderwegen lockt in das kaum bekannte Mittelgebirge Knüll in Nordhessen, ins Märchenland der Brüder Grimm.
Was für ein Name: Knüll. Klingt niedlich. Und ist es auch. Eine Landschaft mit sanften, bewaldeten Bergkuppen im Wechsel mit kleinen Wiesentälern und Mini-Dörfern. Die ganze Region ist seit letztem Jahr ein Naturpark. Und gerade sind dort zwanzig neue Wanderwege entstanden. Wie beflügelt habe ich den Knüll erlebt, der Naturpark und seine neuen Wanderwege bewegen die Region. Es herrscht Aufbruchstimmung.

Aber wo genau liegt der Knüll? Im Nordosten Hessens, südlich von Kassel und westlich der Festspielstadt Bad Hersfeld. Hier gibt es märchenhafte alte Buchenwälder wir durchstreifen sie auf dem Hutewaldweg. Beeindruckt hat mich etwa diese Baumgestalt:
Die Äste wie Arme weit von sich gestreckt, der Baumstamm in zwei lange hölzerne Beine gespalten, so steht sie da, die mächtige Buche. Und sie sieht aus wie ein Ent, jene Beschützer der Wälder aus dem Herrn der Ringe.

Charakterbäume im Hutewald

Solche Charakterbäume, meist bis zu dreihundert Jahre alte Buchen, sind das Highlight der elf Kilometer langen Wanderroute. Der Name erklärt sich so, früher brachten die Bauern Rinder, Ziegen und Schafe zum Hüten in den Wald von Rengshausen. Bis in die 50er Jahre hinein wurde hier Vieh gehütet. Fabelwege heißen die neuen Rund-Wanderwege, allesamt vom Deutschen Wanderinstitut als Premiumwege zertifiziert. Das ver-spricht eine gute Ausschilderung und reichlich Naturgenuss auf kaum asphaltierten Strecken. Entspannte Touren, maximal 15 Kilometer weit. Ein paar der Fabelwege sind auch Spazierwege, da ist man nur vier bis sechs Kilometer unterwegs.

Unterwegs auf dem Hutewaldweg. (c) Rotkäppchenland C. Anders

Bergkuppen und Fachwerkdörfer

Spektakulären Gipfel gibt’s im Knüll nicht, der Eisenberg ist mit 636 Metern die höchste Erhebung. Die Landschaft bestimmen Bergkuppen (vulkanischen Ursprungs) im Wechsel mit verzweigten kleinen Wiesen- und Bachtälern. Enge Sträßchen führen zu versteckten Mini-Fachwerkdörfern. Sie tragen Namen wie Allmuthshausen oder Asterode, ein kleiner Ort, den die Wanderroute Bächeweg streift. Fabelhafte Ausblicke bietet der Spazierweg Eisenberg Panoramaweg, der einmal rund um die höchste Erhebung führt. Mit den Augen fängt man immer wieder Mittelgebirgshöhen ein, Vogelsberg, Thüringer Wald, oder auch den Hohen Meißner. Besonders imposant ist das Hessische Kegelspiel eine Kette von Vulkankuppen, die zum Biospärenreservat Rhön gehören.

Christinenquelle im Märchenland

Während wir auf weichen Wiesenwegen laufen, kreisen am Himmel zwei Rotmilane. Dann taucht der Weg wieder ein in Buchen- und Eichenwald. Die Christinenquelle sprudelt aus dem Eisenberg, sorgt für Erfrischung – normalerweise, aber diesen Sommer floss nur ein dünnes Rinnsal aus dem Fels.

Die Christinenquelle

Nordhessen ist das Märchenland der Brüder Grimm. Und die Knüll-Region hat sich den Namen Rotkäppchenland zugelegt, inspiriert durch die Tradition der Schwälmer Tracht, bei der die unverheirateten Frauen ein rotes Käppchen tragen, was die Vorlage für das weltberühmte Brüder-Grimm-Märchen gewesen sein könnte.

Naturpark seit 2019

Katrin Anders vor eine Info-Tafel zum Knüll

Lange Zeit lag der Knüll im Dornröschenschlaf. Abseits der Ballungszentren, nahe der innerdeutschen Grenze. Aber es ist Bewegung in die Region gekommen, nicht zuletzt mit dem Naturpark. Dieser beflügelt das neue regionale, ländliche Selbstbewusstsein.
Bereits Ende der 60er Jahre gab es einen Vorstoß für die Gründung des Naturparks, aber erst im Jahr 2019 war es dann so weit.

Katrin Anders, Geschäftsführerin des Naturparks Knüll erklärt das so: „Früher waren die Bedenken der Landwirte und Forstleute groß, sie befürchteten Einschränkungen. Heute ist das anders, das Bewusstsein über den Wert der Naturschätze, die wir hier haben, ist deutlich gewachsen.“ Katrin Anders stammt aus dem Knüll und verließ als junge Frau die Region, wie so viele junge Leute. Zwanzig Jahre später kommt sie zurück, und die 46-Jährige stellt fest: „Es hat sich einiges verändert, auch das frühere Kirchturmdenken weicht allmählich einer regionalen Identität.“

Gestärktes Regionalbewusstsein

Für das gestärkte Regionalbewusstsein ist der Naturpark ein Beispiel, es gibt noch weitere Initiativen im Knüll, die neues Leben und Arbeiten auf dem Land fördern wollen, weg vom Image des ländlichen Abseits. Etwa das Projekt Summer of Pioneers im Fachwerkstädtchen Homberg/Efze, dort können seit letztem Jahr zwanzig Kreative und Digitalarbeiter probewohnen und arbeiten im Coworking-Büros.

Fachwerk in Homberg/Efze

Im Zeitalter der Digitalisierung ist die Provinz immer weniger abgehängt, so sehen das auch die HOMEberger, ein Netzwerk von 24 Unter-nehmern und Unternehmerinnen, die der Region „nachhaltige Impulse“ geben wollen. Darunter beispielsweise ein Orthopädie-Schumacher, ein Bio-Landwirt oder auch zwei Designerinnen, die die Schwälmer Tracht neu interpretieren und gestalten.

Fabelwege locken Gäste an

Unterwegs auf Fabelwegen

Was den Naturpark und die neuen Wanderwege betrifft, zeigt sich Elke Lepper, Chefin des alteingesessenen Parkhotels zum Stern in Oberaula, sehr erfreut. „Für mich ist mit den Fabelwegen ein Traum in Erfüllung gegangen“, sagt sie. „Durch den Naturpark sowie die Zertifizierung der Wanderwege werden jetzt auch mehr überregionale Gäste kommen, besonders Wanderer,“ so hofft sie.

Wandern zwischen Wäldern und Feldern im Knüll

Tipp: In Hessens jüngstem und 13. Naturpark liegt ein schöner Wildpark, der zu Spaziergängen und Tierbeobachtungen einlädt. Ein Highlight sind die Braunbären und Wölfe, die zusammen in einer Anlage leben. In den Vollmondnächten im Winter gibt es abendliche Führungen (Anmeldung erforderlich) zu den Wölfen. Mit etwas Glück erlebt man dann echtes Wolfsgeheul.

Copyright für alle Fotos, wenn nicht anders angegeben: Karin Kura

Ein Dankeschön an den Tourismusverband Rotkäppchenland sowie den Naturpark Knüll, sie ermöglichten diese Reise!

Kategorie: Ausflug, nah dran

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Draußen ist es am schönsten. Egal, ob als Reisejournalistin oder privat, unterwegs in der Natur bin ich am liebsten. Aber bloß nicht frieren! So klingt es vielleicht komisch, dass ich von Haus aus Skandinavistin bin, in Norwegen habe ich gelebt. Und dann die Himmelsrichtung gewechselt. Jetzt reise ich oft in Richtung Süden, nach Spanien. Karge Landschaften ziehen mich magisch an, besonders Wüsten. Alle Wüsten dieser Welt besucht zu haben, das wäre ein Traum!

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