Eigentlich ein eher unscheinbares Städtchen im Norden von Spanien. Das ruhige Balmaseda – die älteste Stadt der Provinz Biskaya, gegründet im Jahre 1199. Gelegen zwischen den Bergen, direkt am Fluss Kadagua – und auf der lukrativen Handelsroute zwischen Kastilien und dem Baskenland. Ein Ort zum Durchatmen, Runterkommen. Ich bin auf einer Pressereise zu den „Slow Cities“ des Baskenlandes unterwegs. Das Thema gehört zu der „Cittàslow“-Bewegung, die ursprünglich aus Italien stammt und sich der Verbesserung der Lebensqualität in den Städten, der Nachhaltigkeit, dem Öko-Tourismus und regionalen Schwerpunkten verschrieben hat. Balmaseda gehört dazu. Ebenso ein eindrucksvolles Zeugnis der Industriekultur in dieser Region ist die Textilfabrik „La Enkartada“ aus dem Jahre 1892. In den 1990er bankrott gegangen, wurde die Fabrik 2007 in ein geschichtsträchtiges Museum umgewandelt. Hier kommt die Baskenmütze her. Die Txapela – im Baskischen. Eine tolle Mütze, die ich bestimmt im Winter oft tragen werde. Ich musste sie mir einfach noch kaufen nach dem Rundgang durchs Museum…
Zelte und Uniformen für Soldaten des Spanischen Bürgerkrieges
Die Textilfabrik gehört zur „European Route of Industrial Heritage„. Sie liegt etwas außerhalb von Balmaseda direkt am Fluss, im Barrio El Penueco 111. Aimada Martinez-Matia bringt die Geschichte der historischen Maschinen wirklich überzeugend rüber: „Die Hauptproduktionszeit war der Spanische Bürgerkrieg. Damals schufteten rund 130 Arbeiter hier in drei Schichten, zehn Stunden sieben Tage die Woche“, erzählt die Museumsleiterin. Doch noch immer rattern die sehr gut erhaltenen Maschinen, größtenteils gebaut Ende des 19. Jahrhunderts. Die Baumwolle türmt sich noch, wenn auch nur vor den Besuchern. Riesige Spinnmaschinen mit bis zu 360 Spindeln an einem Gerät faszinieren. Die Turbinen, die die Elektrizität produzierten, stammen aus Deutschland. Meist einheimische Frauen, stellten hier überwiegend Uniformen, Zelte, Decken, Mäntel her – für die Soldaten an der Front. Die Männer arbeiteten hingegen in der Schwerindustrie.
Schlecht bezahlte Jobs in der Fabrik
„Die Jobs waren nicht gut bezahlt. Es war eine Zeit, in der die Frauen noch die Unterschrift ihres Mannes benötigten, um ihren Lohn abholen zu können“, weiß Aimada. Die Arbeiterinnen lebten mit ihren Familien in ärmlichen Arbeiterbaracken auf dem Gelände der Fabrik. Eine kleine Kapelle besuchten sie Sonntags für die morgendliche Messe.
Die Baskenmütze
Die Baskenmütze ist das wohl bekannteste Kleidungsstück der „La Encartada“. Gute zwei Tage dauerte es damals, bis die legendäre und weltbekannt gewordene Mütze fertig war. Aimada erklärt mir, wie die Mütze aus Schafwolle gestrickt und genäht, dann mit heißem Wasser und Seife behandelt, also gefilzt wird. „Früher wurde sie häufig fürs Militär hergestellt“, sagt sie. Doch später sei es dann immer mehr die Kopfbedeckung der Fischer, Bauern – der Arbeiterklasse geworden. Und um eins klar zu stellen: „Unsere Txapela ist eindeutig baskischer Natur, sie kommt nicht aus Frankreich“, betont Aimada und lächelt stolz. Auch wenn die Franzosen das natürlich ganz anders sehen…
Deftiger „Putxera“-Eintopf
Wer nach dem Besuch in der „La Encartada“ Hunger bekommen haben sollte, dem sei ein traditionelles Gericht aus Balmaseda empfohlen: der mächtig-deftige Eintopf „Putxera“. Mit viel Salzschwein, roten Bohnen, Chorizo-Wurst und Morcilla-Pudding. Lecker!! Vier Stunden lang wird er in einem großen blechernen Topf über Kohle gekocht. Ausgedacht haben sich den Eintopf die Maschinisten der Eisenbahnlinie Balmaseda-La Robla. Auf der langen Fahrt kochten sie ihr Mittagessen selbst – und benutzten zum Erhitzen ihrer Töpfe erfolgreich den Dampf der Lokomotive.
Ein guter Restaurant-Tipp für die Putxera: das „Teike“-Lokal in der Fußgängerzone von Balmaseda, es liegt an der Calle Martin Media 5. Neben der Putxera gibt’s auch leckere Pinxtos bei Chef Inigo Ramos. Jedes Jahr am 23. Oktober, am Feiertag des Schutzheiligen San Severino, tragen die Einheimischen übrigens einen Wettbewerb aus: Wer kocht die beste Putxera des Jahres? Die Basken lieben Wettbewerbe …
Schlafen wie bei den Nonnen
Und nach dem deftigen Eintopf könnt ihr gut in einem ehemaligen Klarissenkloster aus dem 17. Jahrhundert übernachten. Mein Tipp: das Hotel San Roque am Campo de las Monjas 2 neben der Santa Klara-Kirche. Inklusive nettem Innenhof, kleiner Bar und Frühstück.
Stolze Etappe auf dem „Vergessenen Weg“
Am nächsten Morgen lernen wir noch kurz den Bürgermeister des 7700 Einwohner starken Ortes kennen. Schnell ist zu merken, dass Aitor Ignacio Iarrinaga sein Balmaseda sehr gern hat. „Wir sind zwar nur eine Etappe auf dem „vergessenen Weg“ des Jakobsweges„, erzählt er mir und lächelt. Hotels gebe es nur eins in der Stadt und zwei Herbergen in den Bergen.
„Und doch sind wir eine Gemeinschaft hier im Ort, jeder hilft jedem“, sagt er voller Stolz und erzählt vom großen Passionsumzug während der Semana Santa, der Karwoche. Rund 700 Schauspieler und Statisten aus Balmaseda machen mit bei der Via Crucis. Die ganze Stadt ist Kulisse. So etwas schweißt einfach zusammen. Ein sympathischer Bürgermeister, eine nette, kleine Stadt. Ein Tipp zum Schluss: Besucht noch die historische Zollbrücke „Puente de la Muza“ aus dem späten zwölften Jahrhundert, idyllisch am Fluss Kadagua gelegen. In der Mitte der gotischen Brücke mussten früher die Zölle gezahlt werden. Ein bisschen Mittelalter schnuppern…
Bei den Recherchen auf der Pressereise „Slow Cities“ des Spanischen Fremdenverkehrsamtes wurde ich von Tourismus Euskadi unterstützt.
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