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Europäische Woche der Nachhaltigkeit: Tipps fürs Reisen


Gerade ist die Europäische Nachhaltigkeitswoche 2018 angelaufen, mit vielen Einzelprojekten vom Müllaufsammeln im Wald über das Reinigen eines Flussbetts bis zu Radfahraktionen. Und was kann man beim Reisen besser machen?

Abendstimmung im Hafen – Segelurlaub in der Natur kann sehr nachhaltig sein

Bio boomt. Urban Farming und Crafted Food erobern die Großstädte. Der Öko- und Nachhaltigkeits-Trend macht auch vorm Reisen nicht Halt. Gut so. Doch was ist nachhaltiges Reisen überhaupt? Gute Frage. Denn was genau zur Nachhaltigkeit gehört und welche Standards erfüllt werden müssen, dazu gibt es keine einheitliche Definition. Bislang setzt da jeder im Prinzip seine eigenen Schwerpunkte. Das Thema ist ja auch wirklich sehr komplex. Manchen sind soziale Aspekte wichtiger, anderen der ökologische Fußabdruck. Letztlich sollten Reisende beide Aspekte angemessen im Blick haben.

Was ist nachhaltiges Reisen überhaupt?

Was genau bedeutet grünes und nachhaltiges Reisen? Ist es die Woche im zertifizierten Bio-Hotel mit Vollpension aus Bio- Anbau – das allerdings nur mit einem Langstreckenflug erreichbar ist? Oder die familiengeführte Pension am Radwanderweg, die seit jeher ungespritztes Gemüse aus dem eigenen Garten verwendet – ohne Öko-Siegel, denn Zertifizierungen kosten Geld? Ist es Zeltromantik in der Natur oder Stadturlaub im Nullernergie-Hotel? Und ist es, ganz provokant gefragt, nicht sowieso am allerbesten, einfach zuhause zu bleiben? Aus Umweltsicht vermutlich schon. Aber wer reist, erfüllt ein menschliches Grundbedürfnis, lernt andere Kulturen und einzigartige Lebensräume kennen. Erweitert den Horizont, getreu dem Motto von Konrad Lorenz: Nur was der Mensch kennt, lernt er lieben. Und nur was er liebt, verteidigt er.

Anbieter und Zertifikate

Als erste und größte Organisation für nachhaltigen und ökologischen Urlaub, der heute viele nationale Tourismusverbände angehören, gründete sich The International Ecotourism Society (TIES) vor mehr als zwei Jahrzehnten in den USA. Bio-, Klima- oder Veggie-Hotel, Öko-Pension und -Ferienhaus, Agriturismo beim Bio-Bauern, Camping in der Wildnis, Wanderurlaub mit Gepäcktransport oder Öko-Pauschalreise – der Markt für bewusstes und nachhaltiges Reisen ist seitdem gewachsen. Und wendet sich schon lange nicht mehr nur an Freaks in Gesundheitssandalen: Denn gerade das mit modernster Umwelttechnik ausgerüstete Stadthotel kann mit Blick auf die Nachhaltigkeit die perfekte Behausung sein.

Regionale Lebensmittel gehören dazu, zum Beispiel frische Milch auf der Alm

Die freiwillige Mitarbeit in Naturschutzprojekten, bevorzugt in exotischen Ländern, ist trotz alledem noch immer die Blaupause für klassischen Bio-Aktivurlaub: Umweltschutz, gesunde Ernährung, die Urlaubsregion jenseits von  Strand und Partymeile entdecken und die lokale Bevölkerung und ihre Wirtschaft stärken stehen im Vordergrund. Mit Öko-Wellnesshotels ist das Angebot aber auch im Luxus-Segment für den gestressten Kurzzeitreisenden angekommen. Ob junge Erwachsene, bewusst reisende Familie oder solvente Best Ager – Nachhaltigkeit bedient inzwischen jede Zielgruppe.

Orientierung im Siegel-Dschungel

Aktiv und ohne Motor in der Natur unterwegs

Die Zahl der Siegel und Zertifikate im nachhaltigen Tourismus ist bunt und vielfältig. Und leider wenig einheitlich: Jeder macht mehr oder weniger sein Ding. Das allerdings macht es für den Reisenden nicht einfacher. Ein paar Anhaltspunkte: Orientierung bietet zum Beispiel das Magazin „Anderswo“ aus dem fairkehr Verlag. Im Forum anders reisen e.V. sind mehr als hundert Reiseveranstalter organisiert (www.forumandersreisen.de). Renatour hat sich auf Familienreisen in ganz Europa spezialisiert (www.renatour.de). Die zertifizierten Bio-Hotels in Deutschland und einigen anderen europäischen Ländern haben sich im Verein „Die Bio-Hotels“ zusammengeschlossen und stellen sich auf biohotels.info vor, Öko-Camper finden ihren Platz auf ecocamping.net. Wert auf besonders schöne Landschaft oder Naturpark-Nähe seiner Unterkünfte legt das Portal www.naturnah-reisen.de, Anbieter des sanften Tourismus haben sich auf www.eco-ferien.de zusammengetan. Darüber hinaus gibt es viele, oft kleine Anbieter von Wander-, Rad- und Kanureisen.

Okay. Dann jetzt mal konkret. Hier kommen drei Beispiele, wie ein nachhaltiger Urlaub aussehen kann:

Rundum-Paket: Bio-Hotel auf Langeoog

Bio-Hotel Strandeck

Schon auf der Überfahrt von Bensersiel setzt das Entschleunigungsgefühl ein: Möwen kreischen, salzige Meeresluft umweht die Nase. Lärm und Hektik, adé… Langeoog ist nicht nur autofrei, alles läuft gemächlicher auf der ersten Fairtrade-Insel Deutschlands. Hotels und Pensionen, Geschäfte, Restaurants und Cafés bieten Produkte aus fairem Handel an. Im Strandeck, dem einzigen Bio-Hotel auf der Insel, setzt die Familie Recktenwald auf Slow Food und regionale Produkte: selbstgebackenes Bio-Brot und Kuchen aus der hauseigenen Konditorei. In den Salzwiesen grasen Galloway-Rinder und liefern Bio-Fleisch, dazu gibt es regionales Tide-Bier, hausgemachte Saucen und Marmeladen mit Wildfrüchten aus dem Nationalpark. Dem Hotel angeschlossen ist der „Seekrug“, das einzige bio-zertifizierte öffentliche Restaurant  auf den Ostfriesischen Inseln.

Nachhaltige Städtetour: Göteborg

Nachhaltiger Urlaub in der Stadt, geht das? Hervorragend! Etwa im schwedischen Göteborg. 90 Prozent der Hotelzimmer sind hier, in der Stadt mit der Auszeichnung „World´s most sustainable destination 2017“ bereits nach dem stadteigenen Öko-Siegel oder nordischen Zertifikaten wie „Svanen“ oder „KRAV“ zertifiziert. Sie sparen unter anderem Wasser, vermeiden Abfall und verwenden sanfte Reinigungsmittel. Oder haben wie das Hotel Gothia Towers Bienenstöcke auf dem Dach. Viele Restaurants und Cafés sind ebenfalls zertifiziert und verwenden ökologisch angebaute, lokale Lebensmittel.

Zu Fuß und mit dem Fahrrad nachhaltig unterwegs

Fairtrade City seit 2011, Climate City of Sweden 2015 und zuletzt Worlds most sustainable destination– und in Schwedens zweitgrößter Stadt kann man es sogar umweltfreundlich krachen lassen. Das dreitägige Sommerfestival „Way Out West“ im Stadtpark Slottskogen mit mehr als 25.000 Besuchern bietet nur vegetarische Verpflegung an und ist als erstes Festival überhaupt mit dem „KRAV“-Öko-Siegel ausgezeichnet. Öffentliche Leihfahrräder, Straßenbahn und Flussfähre ermöglichen umweltfreundliche Mobilität. Mit grünem Gewissen shoppen? In der Linné- und Magasinsgatan liegen viele Öko- und Second Hand-Läden, mehrere Göteborger Mode-Labels setzen auf ökologische und faire Produktion – ein wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit.

Aktiv mit regionalem Genuss: Wandern auf dem Lechweg in Tirol

Regionale Produkte genießen und unterstützen

Wer auf dem österreichischem Lechweg durchs Lechtal wandert, immer begleitet vom brausenden Fluss, bekommt nicht nur Natur satt, sondern auch regionale, natürliche Lebensmittel in allen Facetten geboten. Bio-Bauernhof-Fans übernachten auf dem Gehrnerhof, wo Lisbeth Fritz Öko-Kaminwurzen mit lokalen Kräutern und Beeren herstellt. Rund 30 Sorten Käse produziert die Naturkäserei Sojer, der Familienbetrieb verarbeitet die Milch der benachbarten Bauern bis heute nur händisch. Und der Verein „Kräuterhexen“ entführt die Urlauber in die Welt der wilden Alpenkräuter. Der Lechweg führt auf rund 125 Kilometern in Tirol von der Quelle bis zum Lechfall durch ein vom Massentourismus verschontes Alpental. Nachhaltigkeit und Regionalität werden groß geschrieben: Die Zimmer im familiengeführten Hotel Post in Steeg sind mit alpinem Zirbenholz gestaltet, im Hotel zum Mohren in Reutte setzt Küchenchef Thomas Ruepp konsequent auf saisonales Gemüse. Beide Häuser gehören der Vereinigung „Naturparkwirte Lechtal-Reutte“ an, die überwiegend regionale Produkte verarbeiten. Das Mohren-Restaurant ist außerdem Mitglied im „Kuratorium Kulinarisches Erbe“ und als „Tiroler Wirtshaus“ für bodenständige, authentische Wirtshauskultur ausgezeichnet.

Mehr Ideen fürs nachhaltige Reisen findet ihr zum Beispiel hier bei uns im Blog:

Islands Schwur für Nachhaltigkeit

Die Pfeifsprache El Silbo auf La Gomera

Grenzland Emsland

2 Kommentare

  1. Ach, ich wäre schon glücklich, wenn die Hotels endlich weltweit begreifen könnten, dass nicht jeden Tag neue Handtücher und alle paar Tage neue Bettwäsche nötig sind (letztes Jahr Armenien…) Und auch beim Verpackungsmüll gibt es da Unterschiede wie Tag und Nacht.

    • Das stimmt… allein die vielen kleinen Duschgel- und Shampoo-Verpackungen. Ich benutze die schon lange nicht mehr und habe immer eine kleine Seife dabei.
      Liebe Grüße
      Anke

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