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Der Ruf des Waldes: Auf Hirsch-Safari in Andalusien

Jetzt ist die Zeit der großen Gefühle, die Zeit der Hirschbrunft. Aus den Wäldern röhrt es kräftig, der Ruf der Wildnis kommt vom Hirsch. Ja, den kennen wir vom deutschen Wald. Aber es gibt Gegenden, wo man die Geweihträger überhaupt nicht vermutet. Nämlich in Südspanien.

Im Land der Orangen und Oliven befindet sich der größte Naturpark Spaniens. Er trägt den sperrigen Namen Parque Natural de Sierras de Cazorla, Segura y Las Villas und liegt im nordöstlichen Zipfel Andalusiens. Weit weg von den Badeküsten, in der wenig bekannten Region Jaén.

Eine ungewöhnliche Landschaft im eher staubtrockenen Andalusien: Große Wälder und viel Wasser. Tiefe Schluchten und schroffe Gipfel aus Kalkstein, die Naturpark-Fläche umfasst etwa 210.000 Hektar. Unser Eingangstor zum Naturpark ist das hübsche Bergstädtchen Cazorla. Die alten Steinhäuser scheinen am Hang zu kleben, über allem thront die Burg La Yedra.

Offroad mit Geländewagen starten wir. Ruppig geht’s zur Sache über steinige Pfade, dann wieder sacken die Räder ab in tiefe Furchen. Ein lustiges Auf und Ab. Vorbei an uralten Kiefern und Steineichen arbeitet sich der Landrover im Schneckentempo immer höher hinauf, unterstützt von lautem Motorjammern.Aber schließlich, als wir dann auf einem Bergrücken zum Stehen kommen, genießen wir den erhabenen Ausblick auf die Gebirgslandschaft. Der höchste Gipfel, Cerros Empanadas, zählt 2.107 Meter.
Wir warten. Schweigen. Lauschen. Schauen. Die Sinne werden geschärft, wir üben uns in Geduld. Nur ein bisschen, dann beginnt das Konzert der Hirsche. Ein tiefes Röhren. Wehklagend. Herzerweichend. Sehnsuchtsgetränkte Rufe dringen aus den dichten Wäldern, erreichen uns von links, rechts und geradeaus. Mehrstimmig.

Oouuuh! Wir halten die Luft an, der Sound geht durch Mark und Bein. Vermischt sich mit dem Rauschen der Kiefern, mit Insekten-Gebrumm. Safari macht Spaß. Safari macht süchtig. Der Hirsch ist unser König.

Aber wir erfreuen uns auch an der schönen Landschaft (so ähnlich stelle ich mir die Rocky Mountains vor) sowie am smaragdgrünen Stausee Embalse El Tranco. Dieser wird gespeist vom großen Río Guadalquivir, der im Naturpark entspringt.

Nachts im Wald

Wir beobachten wilde Bergziegen auf einer Klippe, erspähen seltene Bartgeier am Himmel. Und es gibt Wildschweine. Unsere Freude hält sich in Grenzen: Einmal nachts, voller Begierde nach dem Ruf des Waldes, da stürzen wir uns in die Dunkelheit. Wie orientierungslos doch der Stadtmensch ist, im dunklen Wald! Es sind Tiere da, viele, aber leider erscheinen die furchteinflößenden zuerst: Wildschweine. Zweige knacken, es grunzt! Laut. Von irgendwo, bedrohlich nahe.

Eine eher unerwünschte Begegnung kündigt sich an – hatte uns Jesus, der Guide, nicht etwas vom Marsch der Toten erzählt? Aus früheren Zeiten, wo man die Toten dieser abgelegenen Gegend einsammelte und alle auf einen Schlag in die Zivilisation trug (Ruta de las ánimas – der Pfad der Seelen – oder Camino des los muertos). Oh Grusel lass nach! Die Handy-Taschenlampen bringen nicht wirklich Licht ins Dunkel, jetzt bellen auch noch Hunde irgendwo von rechts, wie verrückt. Uns reicht’s, nix wie weg! Wir ziehen uns über Wurzeln stolpernd, aber einigermaßen geordnet zurück.

Tagsüber haben wir ein besseres Gefühl. Nicht selten steht eine Gruppe Damwild mit Hirsch wenige Meter von der Straße entfernt. Und – ein bisschen wie auf Löwen-Safari in Afrika – erklärt Jesus: „Die Tiere sind an Autos gewöhnt, aber man sollte nicht aussteigen, dann sind sie nämlich blitzschnell weg.“ (Immerhin besser als beim Löwen, da wird man nach dem Verlassen des Autos als attraktive Beute betrachtet…)
Das Hirsch-Fazit: Wir haben ein paar Könige des Waldes gesehen, aber natürlich blieb keiner mal richtig zum Anschauen und Fotografieren stehen. Dafür haben wir sehr viel mehr gehört im andalusischen Naturpark. Ein intensives Erlebnis!


Die Reise wurde unterstützt vom spanischen Fremdenverkehrsamt. Ein herzliches Dankeschön!

Info zum Naturpark:

Auf Beobachtungstouren mit Naturpark-Guides erlebt man – im Geländewagen oder auch zu Fuß – die schönsten Ecken des Parks. Und freilich wissen die Jungs, wo Hirsche und andere wilde Tiere am besten zu finden sind: TurisNat. Man kann auch mit dem eigenen Auto durch den Parque Natural de Sierras de Cazorla, Segura y Las Villas fahren. Auf kurvigen, aber asphaltierten Straßen, und es gibt zahlreiche Wanderwege.
Mehr Infos zum Naturpark auf Deutsch: www.andalucia.org/de/naturraeume/parques-naturales/sierras-de-cazorla-segura-y-las-villas/
Mehr Infos zu Andalusien: Da empfehle ich den Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag: „Andalusien“, aktuelle Auflage von 2017 (kostet 24,90 €) 

Über Karin Kura:

Draußen ist es am schönsten. Egal, ob als Reisejournalistin oder privat, unterwegs in der Natur bin ich am liebsten. Aber bloß nicht frieren! So klingt es vielleicht komisch, dass ich von Haus aus Skandinavistin bin, in Norwegen habe ich gelebt. Und dann die Himmelsrichtung gewechselt. Jetzt würde ich gerne Spanisch lernen. Wenn mal Zeit dafür bleibt. Vielleicht ja auf meiner Lieblingsinsel: La Gomera.

 

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