In der Region bleiben und trotzdem mit viel Aussicht wandern? Das geht hervorragend auf dem RheinTerrassenWeg in Rheinhessen. Karin hat´s ausprobiert.Der schmale Pflasterweg führt auf eine große Kastanie zu. Einsam steht sie oberhalb von Mettenheim, umgeben von langen Reihen mit Weinstöcken: Willkommen in Rheinhessen, Deutschlands größtem Weinanbaugebiet! An der Kastanie lädt eine Bank zum Sitzen ein. Sehr weit kann ich von hier aus schauen, über den Rhein hinweg bis zu den Höhenzügen des Odenwaldes.
Plötzlich ist da eine Bewegung ganz in meiner Nähe. Etwas Braunes huscht zwischen den geraden Reihen, schaut kurz herüber. Ein Reh? Ein Reh! Das passt gar nicht in diese durchgestylte Landschaft. Bei genauerem Hinschauen entdecke ich im Rebenmeer kleine Naturinseln mit Bäumen und Hecken. Hohlweg-Passagen führen hindurch, und der Wanderweg steuert wenig später auf eine solche Insel zu. Hochgewachsene Gräser streifen die Hosenbeine, es zwitschert heftig von den mit Efeu umwickelten Bäumen und aus kopfhohen Hecken.
Verwunschene Hohlwege
Kurz darauf fällt der Weg leicht ab, und wie durch eine Schlucht läuft man zwischen zwei Erdwänden hindurch. Sie bestehen aus einer Lehm-Löss-Schicht und können bis zu zehn Metern Höhe erreichen. Entstanden sind die kleinen Schluchten und Hohlwege im Laufe der Jahrhunderte, als die Menschen mit schwer beladenen Ochsenkarren unterwegs waren.
Fuhrwerke, die sich mit ihrem Gewicht und den eisenbeschlagenen Rädern tief in den weichen Boden gruben. So wurde der Löss zu Staub zermahlen und dann mit dem Regen weg geschwemmt. „Mühsam hinauf, rutschend hinunter und hoffentlich kein Gegenverkehr“, erzählt ein Schild am Wegesrand, „so kam manch Winzer mit bangem Blick und kaltem Schweiß auf seinem Pferdegespann in Alsheim an“. Bei diesem Ort, nur wenige Kilometer von Mettenheim entfernt, gibt es gleich mehrere dieser ungewöhnlichen Landschaftsinseln, sie heißen „Alsheimer Hohlwegeparadies“.
Immer nah der Zivilisation
Aus der Welt der Ochsen- und Pferdefuhrwerke katapultiert der RheinTerrassenWeg mich schnell wieder zurück in die Gegenwart: Kaum einen Kilometer später stehen Windkrafträder auf mehreren Hügeln. Überhaupt ist man in Rheinhessen immer in der Nähe der Zivilisation. Die Wanderroute, die parallel zum Oberrhein verläuft, streift zahlreiche Ortschaften auf ihren rund 75 Kilometern zwischen Worms und Mainz. Perfekt für gemütliches Unterwegs sein bei gemäßigtem Auf und Ab. Und der Weg lädt immer wieder aufs Neue ein zum Entdecken der Weinorte.
Zehn Kilometer von Mettenheim entfernt kommt Guntersblum. Dort ist meistens ein Weingut geöffnet, ob als Straußwirtschaft, Gutsschänke oder zum Hoffest. An der Hauptstraße liegt das Schlossgut Schmitt. Die Familie Schmitt wohnt in dem kleinen Schloss aus dem 18. Jahrhundert und betreibt den Weinbau bereits in der fünften Generation. Das große, hölzerne Eingangstor ist ein paar Mal im Jahr fürs Publikum geöffnet, man sitzt in dem mit Oleandertöpfen geschmückten Hof, kostet vom Riesling oder nimmt ein Glas Grauen Burgunder. Die Frage lautet dann: Noch mal zehn Kilometer bis nach Oppenheim weiter laufen – oder die Strecke besser mit dem Regionalzug fahren?
Oppenheim als Ausgangspunkt
Eine Idee wäre, das Städtchen Oppenheim als Standort zu wählen. Der Weinort mit hübscher Altstadt liegt ziemlich in der Mitte des RheinTerrassenWegs, so kann man bequem Wandertouren in beide Richtungen starten und jeweils mit der Bahn zurück fahren. Bis ins Zentrum Oppenheims reichten einst die Altarme des Rheins, drei Kilometer vom heutigen Ufer entfernt. Das war, bevor man den Strom für die Schifffahrt begradigte und in ein enges Flussbett zwängte. Ein paar naturnahe Altarmgebiete mit Wäldern, Schilf und Flussauen gibt es heute noch, etwa der Gimbsheimer Altrhein, ungefähr auf der Höhe von Mettenheim und Alsheim, dann vor allem das große Naturschutzgebiet Kühkopf gegenüber auf der hessischen Rheinseite.
Riesling aus Nierstein
Oppenheims Nachbarort Nierstein liegt direkt am Rhein. Die Weinberge sind steiler als jene zwischen Mettenheim und Guntersblum, doch über weite Strecken führt der Wanderweg gerade, auf halber Höhe, und dem weiten Rheinbogen folgend in Richtung Bodenheim. Nierstein ist nicht irgendein Terrain: Der Rote Hang dürfte die bekannteste rheinhessische Weinlage sein. Auf rotem Gestein aus mineralstoffhaltigem Ton- und Sandstein wächst und gedeiht in sieben sonnigen Einzellagen, mit Namen wie Heiligenbaum oder Brudersberg, ein hervorragender Riesling.
Der Brudersberg hat auch einen Aussichtspunkt. Dort sehe ich, wie der Wind gerade dunkle Wolken vor sich her treibt. Über Rheinhessen hinweg in Richtung Frankfurter Skyline, die in der Ferne aus der Ebene herausragt.
Mehr Infos zum Rheinterrassenweg: www.rheinhessen.de/rheinterrassenweg
Der Wanderweg hat gute Anbindung an die Regionalbahn.
Die Wandertour wurde unterstützt von der Rheinhessen-Touristik, vielen Dank dafür!
Sommer in Deutschland? Unsere Gastautorin Karin nimmt euch mit zu weiteren schönen Orten ganz in der Nähe, zum Beispiel an den Edersee in Hessen oder auf den Ruwer-Radweg.